11-06-2025

Die unsichtbare Gefahr hybrider Arbeit: So vermeiden Sie Proximity Bias

Samantha van Putten
Written by Samantha van Putten

Es ist Dienstagnachmittag, 16 Uhr. Ein dringendes und Karriere-entscheidendes Projekt landet auf dem Tisch eines Managers. An wen wendet er sich? An die Kollegin, mit der er gerade Kaffee getrunken hat – oder an eine Nachricht in Slack? Die Antwort beeinflusst im hybriden Arbeitsalltag viel zu oft ganze Karrieren. Ihr aktuelles Hybridmodell enthält einen systematischen Fehler: Es benachteiligt unbemerkt Ihre besten Talente im Homeoffice.

Dieses Phänomen heißt Proximity Bias – oder auf Deutsch: Nähe-Verzerrung. Und Ende 2025 ist es eine der größten, unbeachteten Gefahren für Chancengleichheit und Innovation.

Proximity Bias im digitalen Zeitalter

Proximity Bias ist keine neue Erscheinung. Es handelt sich um einen kognitiven Denkfehler – unser Gehirn bewertet das, was uns vertraut erscheint, automatisch positiver. Je öfter wir etwas oder jemanden sehen, desto mehr Vertrauen empfinden wir – das sogenannte mere-exposure effect.

In einer reinen Büroumgebung fiel diese Verzerrung kaum auf – schließlich waren alle physisch präsent. Doch mit der Verbreitung hybrider Arbeitsmodelle entsteht eine stille Trennung: In eine sichtbare „Innenwelt“ im Büro und eine unsichtbare „Außenwelt“ im Homeoffice.

Und genau hier liegt das Problem: Die wichtigsten Chancen entstehen oft spontan – bei einem Gespräch am Kaffeeautomaten, in der Teeküche oder bei der Frage „Wer kann kurzfristig unterstützen?“. Diese Momente finden fast ausschließlich unter physisch Anwesenden statt.

Führungskräfte neigen dazu, Mitarbeitenden im Büro mehr Kompetenz zuzuschreiben – selbst wenn Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice vergleichbare Leistung erbringen. Hybrides Arbeiten hat diesen Bias nicht erfunden, aber verstärkt. Was früher eine unbewusste Tendenz war, führt heute zu struktureller Ungleichheit.

Wenn Flexibilität zur Illusion wird

Diese Dynamik untergräbt die eigentliche Idee hybrider Arbeit: Flexibilität. Wenn Mitarbeitende glauben, dass ihre Karrierechancen von ihrer Sichtbarkeit im Büro abhängen, wird die Wahlfreiheit zur Farce. Sie sehen sich gezwungen, zwischen Lebensrealität und beruflichem Fortkommen zu entscheiden.

Wenn eine Person ins Büro kommt, obwohl sie dort an diesem Tag nichts erledigen muss – nur um „gesehen“ zu werden –, ist Ihr hybrides Modell gescheitert. Diese erzwungene Präsenz schafft Unzufriedenheit, schwächt das Vertrauen und untergräbt psychologische Sicherheit – eine wichtige Grundlage erfolgreicher hybrider Zusammenarbeit.

Die Folgen sind absehbar: Hochqualifizierte Mitarbeitende im Homeoffice verlassen das Unternehmen, weil sie sich bei Beförderungen oder spannenden Projekten übergangen fühlen. Sie wechseln zu Organisationen, die Flexibilität nicht nur zulassen, sondern systematisch umsetzen – ohne dass dies ihre Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt.

Das Resultat: weniger Diversität, geringere Mitarbeiterbindung und eine Unternehmenskultur, die physische Anwesenheit über tatsächliche Leistung stellt.

Proximity Bias
Proximity Bias in action

Die Lösung: Von Standard zu durchdacht

Alle wieder ins Büro zu verpflichten, wäre ein Rückschritt. Sie würden damit die gewonnenen Vorteile in Produktivität und Work-Life-Balance aufgeben.

Nicht das Homeoffice ist das Problem – sondern der fehlende strukturierte Umgang damit. Viele hybride Modelle sind entstanden, ohne grundlegende Änderungen im Arbeitsalltag vorzunehmen. Das führt dazu, dass veraltete, bürozentrierte Verhaltensmuster weiter bestehen.

Die Lösung: Entwickeln Sie ein bewusst gestaltetes System, das Proximity Bias gezielt ausgleicht. Dafür braucht es eine digitale Infrastruktur, die alle Mitarbeitenden – unabhängig vom Standort – sichtbar, eingebunden und erreichbar macht. Ziel ist ein einheitliches Arbeitserlebnis für alle – nicht zwei parallele Systeme.

Wie smarte Arbeitsplatz-Plattformen für Gleichheit sorgen

Moderne Tools für das Arbeitsplatzmanagement sind der Schlüssel. Sie gehen über das reine Buchen hinaus – sie strukturieren den gesamten Arbeitsalltag neu, mit Fokus auf Fairness und Wirksamkeit.

So helfen sie konkret gegen Proximity Bias:

Ihre Blaupause für ein durchdachtes Hybridmodell

Technologie ist der erste Schritt. Entscheidend ist, dass Sie auch die kulturellen und operativen Gewohnheiten anpassen. Diese vier Prinzipien helfen dabei:

1 - Pink

Ergebnisse zählen – nicht Sichtbarkeit

Bewerten Sie Leistung anhand messbarer Ziele, nicht daran, wer „sichtbar“ ist. Legen Sie klare Kriterien fest und wenden Sie sie einheitlich an – unabhängig vom Arbeitsort. Gute Führungskräfte beurteilen Output, nicht Präsenz.

2 - Pink

Kommunikation: digital und gleichberechtigt

Verabschieden Sie sich von Flurentscheidungen. Diese schließen automatisch Personen im Homeoffice aus. Nutzen Sie stattdessen zentrale digitale Tools (z. B. Teams, Slack oder Projektsoftware) als primäre Kommunikationskanäle. So haben alle denselben Zugang zu Informationen und Einfluss.

3 - Pink

Das Büro als gezieltes Werkzeug einsetzen

Verstehen Sie das Büro nicht als Standardarbeitsort, sondern als Raum für bestimmte Aktivitäten – etwa für kreative Zusammenarbeit oder Kundenbesuche. Mit einer klaren Struktur und unterstützender Technologie wird der Weg ins Büro zur gezielten Investition mit Mehrwert.

4 - Pink

Führungskräfte für hybrides Arbeiten befähigen

Hybride Teams brauchen moderne Führung. Schulen Sie Ihre Führungskräfte in inklusiver Moderation, asynchronem Arbeiten und vertrauensbasierter Kommunikation. Gute Führung sorgt für Verbindung – unabhängig vom Ort.

Fazit: Gestalten Sie aktiv – statt alte Muster zu wiederholen

Proximity Bias ist eine unsichtbare Kraft, die Ihr Arbeitsumfeld unbewusst verzerren kann. Wird sie nicht erkannt und adressiert, behindert sie Chancengleichheit, Innovationskraft und Mitarbeiterbindung – in einer Zeit, in der echte Flexibilität zum Standard wird.

Jetzt ist der Moment, hybrides Arbeiten nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu gestalten. Das bedeutet: ein klares System, in dem Technologie und Kultur Hand in Hand wirken.

Mit durchdachten digitalen Lösungen und fairen, inklusiven Arbeitsweisen schaffen Sie eine Arbeitswelt, in der Leistung vor Präsenz zählt – und in der jede Person ihr volles Potenzial entfalten kann, unabhängig vom Standort.